Es gibt wohl kaum etwas Ärgerlicheres als ein Werk voller Potential, das dieses Potential verschenkt. So geschehen bei Anonymous, einem Film, den ich seit Jahren schon sehen wollte, der immer wieder auf meinem Amazon-Wunschzettel auftauchte und wieder verschwand und zu den Feiertagen endlich mal gekauft wurde.
Shakespeare-Filme gibt’s ja nun zuhauf, und obwohl Anonymous eigentlich der ultimative Anti-Shakespeare-Film ist (immerhin verfolgt er die Handlung, Shakespeare habe seine Werke gar nicht geschrieben), ist er natürlich trotzdem ein Shakespeare-Film. Es ist alles da: Sprache, ein gar nicht dummer Plot, tolle Kulissen, politische Spannungen und die alte, aber immer noch gute Idee, die Feder sei mächtiger als das Schwert. Was kann schon schiefgehen?
Eine Menge, wie sich herausstellt. Klar: Wie ein Film dieses Sujets um Shakespeare in Love und Elizabeth herumkommen sollte, wüßte ich auch nicht. Elizabeth ist ein verdammtes Meisterwerk. Shakespeare in Love nicht unbedingt, aber dafür ein Rundum-Wohlfühlfilm. Ich entsinne mich noch gut an seine Laufzeit zu seligen Göttinger Jahren, wo wir ihn gleich mehrmals im Kino sahen und der begeisterungsfähige V. die künstlerische Verbeugung eines Ben Affleck adoptierte. Hach, das waren noch Zeiten!
Anonymous versucht ein Mittelding zwischen beiden zu sein und dabei etwas Eigenständiges, was zwangsläufig in die Hose gehen muß. Da hilft kein tolles elisabethanisches London in CGI, und auch „the Bard“ kann nichts retten. Noch viel weniger Roland Emmerichs Feuerbälle. Das wirklich Ärgerliche ist, daß zwischen wüst zusammengestückelten Szenen aus drei Zeitlinien (wo bin ich, und wer sind diese Leute?) immer wieder großartige Momente sichtbar werden. Edward, der seiner Frau zu erklären versucht, welche Bedeutung das Schreiben für ihn hat. Robert Cecils letztes Gespräch mit Edward und seine unerwartete Lüge zu Johnsons Gunsten. Die wundervolle „Rahmenhandlung“ mit Derek Jacobi – einer dieser wenigen Schauspieler, die jede Szene zu einem Erlebnis machen – pure Magie!
Woran Anonymous schlicht und ergreifend scheitert, ist, daß zu viele Elemente hineingepackt wurden und keines dieser Elemente richtig ausgespielt wurde. Das ist leider das Problem bei vielen mittelmäßigen Filmen. Tatsächlich erfordert eine gute Geschichte gar nicht mal viele Zutaten – ihre Ausarbeitung ist das Entscheidende.
[…] Tower, der Disney-Gefühle aufkommen läßt, gefiel mir die Miniatur-Aufnahme sehr viel besser als Emmerichs CGI-London. Das Globe zeigt Henry V, der “Chorus” (Erzähler, Moderator, Kommentator) erläutert, […]